Sind intelligente Lernplattformen bereits praxistauglich?

Intelligente Lernplattformen wollen das individuelle Lehren und Lernen fördern, indem sie sich an die Lernpräferenzen ihrer Lerner anpassen, Empfehlungen bei „Wissenslücken“ geben oder Übungsaufgaben automatisch korrigieren. Sie streben an, Lehrkräfte zu entlasten, um ihnen mehr Freiraum zur individuellen Lernförderung zu geben. Am Beispiel der in Entwicklung befindlichen MINT-Lernplattform von SupraTix werden diese Herausforderungen hier betrachtet.

So könnte die Unterrichtsvorbereitung der Zukunft aussehen: Es ist 20.00 Uhr. Die Planung für den morgigen Chemie-Unterricht in der 8. Klasse steht an. Bevor Sie starten, schauen Sie auf der Lernplattform nach, ob alle Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgabe zum virtuellen Experimentieren erledigt haben. Schnell können Sie sehen, ob sie den Lehrinhalt verstanden haben. Mit dem Ergebnis sind Sie unzufrieden? Dann planen Sie über die Lernplattform per Drag-and-drop Ihren morgigen Unterricht neu. Dabei setzen Sie kostenfreie OER-Inhalte (Open Educational Resources) ein, die Sie noch etwas an Ihre Anforderungen anpassen. Zusätzlich werden Sie mit der Klasse virtuelle Experimente durchführen. Nach dem Unterricht teilen Ihnen einige Schülerinnen und Schüler dann mit, dass ihnen diese Wiederholung geholfen hat und sie sich auf die nächste Stunde freuen. Sie bemerken: Seitdem Sie eine intelligente Lernplattform für Ihre Unterrichtsplanung, für die Erstellung Ihrer Lehrinhalte und die Binnendifferenzierung einsetzen, ist Ihre Vorbereitung kürzer und Sie werden noch mehr zu einem Lernberater, der das individuelle Lernen seiner Schülerinnen und Schüler stärkt.

Was müssen Lernplattformen können?

Damit dieses Szenario in naher Zukunft eintreten kann, stehen die Lernplattformen vor großen Herausforderungen. So müssen sie sich der Frage stellen, wie z. B. die Lehrzieltaxonomien von Bloom zu integrieren sind und müssen die unterschiedlichen Tempi zwischen technologischer und pädagogischer sowie sozialer Entwicklung abstimmen. Dieser Spagat kann nur geleistet werden, wenn der einzelne Lernende im Fokus der Entwicklung steht. Dies erfordert eine enge Zusam­men­arbeit mit Medienpädagogen und Fach­didaktikern, um Lösungen für das aktive, selbstgesteuerte Lernen zu finden.

Vier Merkmale des E-Learning

Damit das individuelle Lernen gefördert werden kann, muss jede Lernplattform folgende vier zentrale Merkmale des E-Lear­ning erfüllen:

  • Multimedialität (Einbinden verschiedener Medien)
  • Multimodalität (Ansprechen verschiedener Sinnesorgane)
  • Multicodalität (Einbinden verschiedener Informationscodierungen)
  • Interaktivität (Verfügbarkeit diverser Steu­erungs- und Eingriffsmöglichkeiten)

Diese vier Merkmale beeinflussen aber nicht zuletzt auch den wirtschaftlichen Aspekt der Projekte, denn Lernplattformen mit ihren digitalen Inhalten benötigen Personal, Technologien, Know-how und Kapital. Damit ein nachhaltiger Wandel sowie die alltägliche Nutzung der digitalen Bildung möglich sind, werden also tragfähige Geschäftsmodelle benötigt. Bekanntlich steht z. B. Schulen für die digitale Bildung kaum Budget zur Verfügung. Dennoch profitieren sie von Lernplattformen, da kostenfreie OER-Inhalte deren Einsatz im Schulalltag ermöglichen.

Die MINT-Lernplattform von SupraTix

Die im Oktober 2016 startende MINT-Lernplattform von SupraTix ist gekennzeichnet durch ihren Fokus auf die Fächer Chemie, Mathematik, Biologie, Informatik und Physik sowie durch eine Vielzahl an weiteren Funktionen (z. B. „Intelligenz“, „Factory“, „Teaching“). Sie unterstützt den Einzelnen beim Lernen und virtuellen Experimentieren in Echtzeit mittels Cloud-Simulator. Zudem werden auf der Lernplattform Konzepte der Gamifizierung realisiert. Sie motivieren durch High­scores und gewonnene Awards zum selbstständigen Lernen.

Spezielle Funktionen auf der Lernplattform wie z. B. „Intelligenz“ (Lernpräferenz, Qualifikationsprofil und Wissenslücke), stehen den Lernenden zur Seite. Die „Lernpräferenz“ wird automatisch aus dem Lernverhalten des Nutzers und seiner Ergebnisse bei den Überprüfungen ermittelt. Im Hintergrund passt sich die Lernplattform so an die Lernpräferenz an, sodass die Lernmotivation steigen kann. Mittels „Qualifikationsprofil“ wird dem Lerner sein Potenzial aufgezeigt. Hieraus leitet sich dann die „Wissenslücke“ ab. Sie bietet jedem einzelnen Lerner individuelle Lernempfehlungen an.

Forschendes Lernen im virtuellen Labor

Lernplattformen können exploratives Lernen fördern. Dafür bietet – nach Schulmeister – der Einsatz digitaler Medien zur Information, Kommunikation und Reflexion eine bestmögliche, individuelle Unterstützung an. Auf der MINT-Lernplattform realisiert bzw. unterstützt dies ein Labor, das virtuelles Experimentieren in Echtzeit ermöglicht. Dieses virtuelle Experimentieren (z. B. zum Thema chemische Reaktion) basiert auf einem mathematischen Modell. Besonders sind die Parameter (z. B. Druck, Temperatur), über die virtuell der Reaktionsverlauf beeinflusst werden kann.

Vielfalt der MINT Inhalte auf der Lernplattform

Grundsätzlich bezieht sich Lehr- und Lerninhalt auf der Lernplattform von SupraTix auf eine konkrete Frage wie „Was sind Eigenschaften von Sauerstoff?“ Dadurch erhöht sich der Merkeffekt beim Lernenden. Folgende Arten von Inhalten stehen zur Verfügung: multimediale Inhalte, interaktive Grafiken und Mini-Spiele. Diese stehen als OER- und überprüfte Open Access- sowie Premium-Inhalte zur Verfügung. Die Inhalte sind fachdidaktisch überprüft. Parallel können Lehrende über die Lernplattform auch eigene Inhalte intuitiv erstellen und an Dritte unter einer CC- oder kommerziellen Lizenz anbieten.

MINT-Lernplattform SupraTix

Lernen im virtuellen Labor

Ausblick

Erste Erfahrungsberichte zeigen sowohl für den Bereich des forschenden Lernens als auch für die Lernplattform selbst eine große Akzeptanz. Alle Beteiligten, sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte beginnen beim Lernen mit der Lernplattform gemeinsam von vorne. So werden die Lehrerinnen und Lehrer selbst wieder zu Lernenden, wobei ihnen zusätzlich Funktionen den Alltag vereinfachen. In der Praxis verwenden Lehrende Schul­bücher unterschiedlicher Verlage, um ihren Unterricht durchzuführen. In naher Zukunft möchte die Lernplattform durch die Funktion „Teaching“ Lehrkräften ermöglichen, aus einem Fundus von Lehr­inhalten den Unterricht zu planen und durchzuführen. Zusätzlich können sie eigene OER-Inhalte erstellen und der Community zur Verfügung stellen. Dafür werden keine Programmierkenntnisse benötigt. Ob in der Schule oder in Unternehmen, letztendlich soll Lernen Spaß machen und nachhaltig sein. Intelligente Lernplattformen sind auf dem Weg dahin, ihren Beitrag dafür zu leisten. Sie können Lehrende entlasten, damit diese sich noch mehr ihren pädagogischen Aufgaben widmen können.

Ralph Scholze